Montag, 20. Januar 2023. Espargos

Meine Bronchitis ist heftig geworden. Candida hat zum Glück in der Schweiz als Krankenschwester gearbeitet. Gut für den Notfall. Zum Glück habe ich ein schwaches Antibiotikum dabei. Hat schon drei Urlaube überlebt. Aber jetzt brauche ich es. Den Tag über liege ich auf der Terrasse in der Sonne und huste so vor mich hin.

Abends dann ein wunderbares Essen.

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Sonntag, 19. Nov. 2023. Nouakchott – Kapverden

Punk vier Uhr stehe ich in der Lobby. Zwei ankommende Franzosen warten ratlos vor der Rezeption. Der Portier ist nicht auffindbar. Mit Hilfe des Nachtwächters entdecken wir ihn schlafend in einer Ecke im Restaurant. Jetzt dauert es, denn erst müssen die Nachbarn aus Frankreich einchecken bevor bin ich dran bin. Habe gestern alles bezahlt. Und auch der Transfer zum Airport ist da. Ein richtig komfortabler Toyota.

Unterwegs ein kurzer Schreckmoment. Der Fahrer biegt in die Gegenrichtung ab in ein Slum. „Don´t worry“, er holt weitere Passagiere ab. Es dauert ein wenig bis diese aus ihrer Wohnung kommen aber dann geht es direkt zum Airport, der bestimmt zwanzig Kilometer außerhalb liegt. Am Checkpoint kennt einer der anderen Fahrgäste den Polizisten. Ein Plausch, kein Stress mit dem Pass und keine Fragen zum „woher“ und „wohin“.

Am Airport ist zwar eine Tür unter dem Schild „Departure“ geöffnet. Aber ich werde gleich wieder vertrieben. Noch sei alles verschlossen.

Ich gedulde mich auf einer Parkbank. Da nur wenige Menschen so früh am Flughafen sind, geht alles einigermaßen flott. Mein Gepäck wird bis zu den Kapverden durchgecheckt aber ich muss mir in Dakar eine neue Boarding-Karte am Schalter ziehen. Die Maschine düst über Dakar nach Mali, zur Elfenbeinküste und dann bis Conakry. Air Mauretania. Leider darf ich kein Foto vom Jet, ein etwas betagter Airbus, machen. Hier herrscht Hochsicherheit. 45 Minuten bis Dakar, ein total ruhiger Hupfer.

In Dakar möchte ich den Transitbereich nicht verlassen. Ich bin nicht gegen Gelbfieber geimpft. Und die Einreise in die Kapverden ist nur erlaubt, wenn ich hier im klimatisierten Flughafen bleibe.

Denkste. Am Tor zum Transitbereich steht niemand. Ein Wächter bedeutet mir, dass ich durch die Passkontrolle raus müsse. Also Stempel Senegal in den Pass und ich stehe am Ausgang. Wenn schon denn schon denke ich. Da kann ich auch eine Stadtrundfahrt machen. Der Trip scheitert aber an den astronomischen Forderungen der Taxi-Fahrer. Zurück in die Halle zu einen Thunfisch-Brötchen und einem Kaffee. Zusammen zehn Euro. Flughafenpreise sind international. Zeit mit Lesen vertreiben.

Gegen 12 Uhr stelle ich mich in der Check-in-Zone von Air Senegal an. Mir wird bedeutet, ich müsse noch zwei Stunden warten. Aber diesen Bereich verlassen kann ich auch nicht mehr. Endlich gegen 14 Uhr darf meine Boarding-Karte abholen. Mein Gepäck liegt ja irgendwo hier in einem Lager. Hoffentlich. Zoll. Ausreise. Stempel und zu den Gates.

Ich glaube es kaum. Hier gibt es Bier. Dazu bestelle ich mir ein Tuna-Sandwich. Der Nachmittag vergeht mit lesen. Der Flieger hat 90 Minuten Verspätung. Endlich um sieben Uhr heben wir ab. Rund eine Stunde bis zu den Kapverden.

Dort liegt erstmal ein langer Weg vor mir: Vom Flieger zur Ankunftshalle. Zweimal wird der Pass auf dem Vorfeld überprüft. Klar. Angst vor illegalen Einreisen. Beim zweiten Mal wird es für mich ernst. Wo denn meine Geldfieber-Impfung sei, fragt mich die Dame in Uniform. Zum Glück habe ich auf die Stadtrundfahrt in Dakar verzichtet. Mit meinem ganzen Offenbacher Hinterhof Charme versichere ich ihr, den Airport von Dakar nicht verlassen zu haben. Sie schaut mich zweifelnd an, lässt mich aber passieren.

Martin und Candida, die Eigentümer meines B&B, holen mich ab. Es sind nur wenige Minuten Fahrt und mich erwartet ein kleines Refugium. Beide haben sich hier ihren Traum verwirklicht. Das Haus verbindet Schweizer Qualitätsstandards mit kapverdischer Lebensart. Das Abendessen einfach aber es schmeckt. Die Zimmer mit tollem Bad und was man so braucht. Alles gut. Ich schlafe zufrieden ein.

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Samstag, 18. November 2023. Nouakchott

Gestern Abend habe ich beschlossen, den Aufenthalt in Mauretanien zu begrenzen. Es ist für die Jahreszeit ungewöhnlich heiß. 34 Grad schränken den Radius in meinem Alter deutlich ein. Und das Land bietet auch nicht viel. Jedenfalls in den Städten. In der Wüste soll es viele Orte geben, die einen Besuch lohnen. Aber seit die Situation in Mali eskaliert, wird vor Reisen in den Osten von Mauretanien gewarnt. Es gibt ein Entführungsrisiko. Und abends in die Tagesschau mag ich auch nicht. Außerdem habe ich eine heftige Bronchitis. Ziemlich eitrig. Es gibt zwei Flüge Richtung Sal auf den Kapverden. Sonntag und Mittwoch. Ich bekomme noch einen Platz für den nächsten Tag. Dort buche ich in einem Refugium, das sich „kleine Schweiz“ nennt. Ein Ort, um mich auszukurieren. Martin, der Besitzer, ruft mich auch sofort an, um die Buchung zu bestätigen. Und wie sich „Oh Happy Day“ herausstellt: er ist Informatiker und kann meinem Netbook wieder Leben einhauchen.

Auf dem Programm heute steht Stadtrundgang. Nouakchott ist eine künstliche Kapitale. In den 1950er Jahre ein Dorf mit wenigen hundert Einwohnern hat die Stadt heute die Millionengrenze überschritten. Nouakchott liegt am Schnittpunkt verschiedener Stammesgrenzen. Das war wohl ein Grund für ihre Wahl als Regierungssitz. Also: keine besonderen Sehenswürdigkeiten. Mein Ziel das Nationalmuseum. Ich habe mir Google maps offline geladen. Blöd bloß, dass das Haus auf dieser Version nicht verzeichnet ist.

Erster „Programmpunkt“: die Deutsche Botschaft. Zwangsläufig, da der Weg in die Stadt an ihr vorbeiführt. Samstagsruhe. Das Areal ist riesig. Ein wenig schäme ich mich für den Schaukasten. Das jüngste Plakat: eine Veranstaltung im letzten Mai. Der Rest der Poster uralt und von der Sonne gebleicht. Positive Imagewerbung für unser Land ist das nicht.

Wenig weiter passiere ich eine riesige Moschee. Ein riesiges Gotteshaus, von den Saudis den Mauretaniern geschenkt. Irgendwie ist das auch blöd. Unsere Entwicklungshilfe kümmert sich um Brunnen, Landwirtschaft, Bildung, Aufbau von Industrien oder Gewerbe während aus dem Nahen Osten die unbegrenzten Ölmilliarden in das Seelenheil investiert werden, in Moscheen in denen uns nicht nur Lobpreisungen gewidmet werden.

An der Hauptstraße treffe ich auf viele Stände. Nichts was ich gebrauchen könnte aber es macht Spaß sich hier treiben zu lassen. Es wird buchstäblich alles recycelt. Das war mir schon vor dem Hotel aufgefallen. Da stehen Menschen mit Säcken voller Wäsche. Unterhosen, Joggingkleidung, Hemden, Strümpfen. Es wird gekauft. Hier gibt es eine Zeile mit Handyzubehör. Gebrauchte Deckel, Ladekabel, Tasten. Irgendwas geht immer.

Nach einigem Fragen finde ich das Nationalmuseum. Riesige Bannern werben für eine Bücherschau an diesem Wochenende. Aber leider ist das Haus zu. Entgegen der Ankündigung im Internet.

Naja noch ein wenig treiben lassen.

Irgendwann finde ich ein kleines Cafe. Cola und Espresso. Cola mit Strohhalm. Auch wenn die Trinkhilfe bei uns verpönt ist, hier ist ein Strohhalm Pflicht. Aus einem Glas trinken geht nicht wegen Wassermangel beim Spülen und aus der Dosen, die oft von Fliegen übersät sind, mag niemand direkt an die Lippen führen. Ein Beispiel, dass wir unsere Maßstäbe nicht überall zur Norm machen sollten.

Das kleine Cafe ist ein guter Ort, Menschen zu beobachten. Männer, die auf dem Kopf Bleche mit Brot balancieren, Frauen in prächtigen farbigen Gewändern, fliegende Händler mit ihren Karren.

Wer sein Auto liebt, schiebt

Nach einem Mittagsschlaf, bei dieser Hitze Pflicht, marschiere ich abends nochmal in die andere Richtung, Richtung Vorstadt. Nach einer kurzen Wegstrecke vorbei an kleinen Villen wieder der übliche Driss.

Ich kaufe ein paar Kekse für das Nachtmahl und dazu etwas O-Saft. Im Hotel Transfer zum Flughafen bestellt. Morgen um 4 Uhr früh. Der Jet geht um 7 Uhr. Eine Stunde bis Dakar im Senegal und dann neun Stunden warten auf den Anschluss Richtung Kapverden. Also früh schlafen.

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Freitag, 17. Nov. 2023: Nouadhibou nach Nouakchott

Ich habe es geahnt. Pünktlich um 6.15 Uhr morgens stehe ich in der leeren Hotellobby. Kein Taxi weit und breit. 6.15 Uhr wurde mir als letzter Zeitpunkt genannt, um die Busstation zu erreichen. Der Nachtportier ist ein etwa achtzehnjähriger Bub, den ich mühsam wecke. Wenigstens spricht er ziemlich gut Englisch aber helfen könne er auch nichts: die Kollegin komme erst um acht Uhr. Super. Ich fange an Druck zu machen. Will seinen Chef. Den anzurufen traut er sich nicht. Er versucht es bei Kollegen, ohne Erfolg. Beim Taxi Unternehmen nimmt niemand ab. Er versucht an der Straße einen Wagen anzuhalten. Klappt auch nicht. Irgendwann gegen zwanzig vor sieben erreicht er einen Verwandten mit Auto, der soll mich abholen. Zum Glück ist auf dem Ticket gerade noch so der Name der Busstation ablesbar. Jedes Unternehmen hat hier seinen eigenen Hof. Wo der meines Transporteurs genau ist, weiß er auch nicht: aber dafür hat Google „Maps“ erfunden.

Kurz nach sieben sind wir da. Zum Glück läuft der Betrieb auch hier erst an. Noch stehen die Wagen auf dem Areal, das mit hohen Mauern begrenzt wird. Das Unternehmen sei das Beste hat man mir versichert. Jedenfalls ist das Buschtaxi klimatisiert.

In einer Art Becken, das mit Teppichen ausgekleidet und mit Kissen bestückt ist, haben wohl einige Fahrgäste genächtigt. Ich registriere mich mit meinem Pass und behalte das Gepäck immer schön im Auge. Draußen werden nicht nur die Koffer und Taschen der Mitreisenden aufs Dach verladen sondern auch viele Pakete. Die Van’s sind wohl auch so eine Art DHL. Ich setze mich raus mit Blick auf meinen Rucksack. Nicht wieder, dass er auf dem falschen Wagen landet.

So langsam kommt Bewegung in die Sache. Mein Minibus ist der links und der Rucksack findet das richtige Dach.

Ich habe einen Einzelsitz. Zum Glück ist der Wagen nicht voll besetzt. Von den 14 Plätzen bleiben vier frei. Gleich zu Beginn sammle ich bei meiner Nachbarin Bonuspunkte. Jeder erhält eine kleine Lunchbox und ich schenke ihr meine Milch. Dafür füttert sie mich für den Rest der Fahrt mit Keksen. Wieder begegnet uns zu Beginn der Fahrt ein Zug. Aber keine Chance auf ein Foto.

Links und rechts Wüste. Den ganzen Tag lang

Sechs bis sieben Stunden soll die Fahrt dauern. Zu Anfang passieren wir viele Checkpoints. Zoll, Polizei, Militär, Geheimdienst: manche Kontrollpunkte sind im Abstand von 500 Metern aufgebaut. Je nach Bedeutung der Truppe ein klimatisierter Container oder eine vergammelte Hütte. Heute ist Freitag, also im Islam Feiertag. Die Jungs haben keine Lust auf Pässe. Unser Fahrer kennt eh alle. Ein Scherzlein, ein Blick in den Wagen, weiter geht es.

Die Nationalstraße, die wir nutzen, ist der einzige geteerte Weg im ganzen Land. Links Sand, rechts Sand und oft arbeiten auch Raupen, um Verwehungen von der Straße zu schaufeln. Selten nur passieren wie eine kleine Ortschaft. Ein paar Hütten, eine Moschee. Was auffällt: Wir fahren hunderte Kilometer die Küste entlang: Ganz wenige Windräder, obwohl es vom Meer her bläst und noch weniger Sonnenkollektoren, obwohl die Sonne hier unbegrenzt Energie frei Haus liefert.

Irgendwann ist Mittagspause. Eine Art Rasthof. Hier sammeln sich die Vans und Busse aus beiden Richtungen. Einige Bars und Geschäfte nebeneinander. Keine Tür ist einladend. Das Wasser wird aus der Leitung in die Flaschen gefüllt wie ich im Vorbeigehen sehe. Zum Glück habe ich ausreichend Vorrat dabei. Ich treffe die beiden Franzosen wieder. Auch sie haben in Nouadhibou übernachtet, um das Meeresforschungsinstitut zu besuchen. Schade. Hatte ich nichts von gelesen. Hätte mich auch interessiert.

Ich knips noch ein paar Zicklein. Und dann geht der Desert Trip weiter. Dessert Trip wäre jetzt das Richtige. Irgendwann drei Stunden später sind wir in Nouakchott.

Erst mal abladen. Ich lasse mich auch von der Schar der Männer nicht beirren, die an mir von allen Seiten ziehen, um mich in ein Taxi zu lotsen. Rucksack umschnallen und die Straßenseite wechseln nutzt nix. Alle Animateure folgen mir. Ich halte ein Taxi am Straßenrand an und zeige dem Fahrer die Adresse meines Hotels auf dem Handy. Klar kennt der Fahrer das Haus. Sagt er jedenfalls. Kleine Diskussion noch zwischen dem Chaffeur und einem der Koperer, der wohl behauptet, er habe mich vermittelt. Ein kleiner Schein wechselt den Besitzer. Aber wenigstens nennt mir der „Agent“ einen verbindlichen Preis. Zu teuer. Logisch. Aber immer noch unter dem Einzelfahrschein Offenbach beim rmv. Nix worüber Aufregung lohnt.

Der Wagen hat sicher schon zweimal die Autoverwertung Fröhlich bei uns in Offenbach durchlaufen. Innen fehlt eigentlich alles, außer Kupplung, Gashebel, Schaltung, Lenkrad und Sitze. Ob das Auto Bremsen hat? „Ma waas es net“, sagen wir in Offenbach. Der Chauffeure weiß natürlich nicht wo mein Hotel ist. Hier gefragt, dort die Adresse gezeigt. Irgendwann haben wir Erfolg.

Das Haus macht einen vernünftigen Eindruck. Weit weg von den 5 Sternen, die es sich selbst zumisst aber gute drei Sterne bei uns, zum Preis eines einfachen Hostels. Der Mensch an der Rezeption spricht Englisch. Der Check-In dauert. Formalitäten zählen hier. Das Zimmer ist sauber. Alles guit.

Ich wohne hier offenbar in einem besserer Viertel. Nebenan der Präsidentenpalast, viele Regierungsgebäude und die Deutsche Botschaft. Abends finde ich dank Google Maps in einer Seitenstraße ein hochgelobtes afrikanisches Restaurant. Das ist überhaupt nicht einfach, denn Gasthöfe mit guter Küche hängen kein Schild raus. Auch hier muss ich erst durch die Backstube eines Pizza-Services, um den wunderhübschen Garten des Restaurants zu betreten. Ich finde den Weg nur, weil zwei Franzosen vor mir auch auf der Suche sind und sich durchfragen. Leider werden wir alle enttäuscht. Ausgebucht für heute Abend. Ich schaue voll Wehmut auf die vollen Biergläser auf den Tischen.

Mangels Alternativen zurück in das Hotelrestaurant. Essen war ok. Lizenz für Alkohol: Fehlanzeige.

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Donnerstag, 16. Nov . 2023 Nouadhibou

Frühstück etwas einfach gestrickt. Je nach Plattform ordnet sich das Hotel im vier bis fünf Sterne Bereich ein. Naja. Ich würde mal sagen bei uns sehr gute drei Sterne. Die Morgenmahlzeit ist schon arg bescheiden. Käseecken, Marmelade in Döschen, Croissant und Kuchen. Dazu Kaffee aus der Kanne und O-Saft.

Aber es ist jammern auf hohem und ungerechtem Niveau. Aus dem verglasten Aufzug an der Außenwand hatte man einen Rundum-Blick auf die Umgebung. Luxus Wand an Wand mit extremem Elend und großer Armut.

Schräg gegenüber leben oder besser vegetieren unter Tüchern einige, die offenbar eine Chance zur Flucht suchen. Den Hafen und die Schiffe immer im Blick. Aber die Route von hier Richtung Kanaren ist längst unpassierbar. Die EU hat Marokko, Mauretanien und den Senegal aufgerüstet. Spanische Polizei unterstützt diese Länder.

Die Marineboote, die ich vom Dach aus in der Mole sehe, wirken sehr modern. Beim Abendessen saßen gestern Abend am Nachbartisch sechs durchtrainierte junge Spanier, die offenbar in dem Hotel zuhause sind. Gut möglich, dass sie zu der EU-Truppe gehören, die hier stationiert sein soll, um Flüchtlingsboote zurück zu schleppen. Ziemlich rigoros wie man hört. Die Kähne, meist kaum mehr als Seelenverkäufer, müssen jetzt immer weiter im Süden ablegen. Eine Fahrt von zwei Wochen´von Sierra Leone auf die Kanaren auf offenem Meer. Unvorstellbar das Risiko, das Menschen eingehen, eingehen müssen.

Nachdem ich ein Busticket habe, kann ich das Zimmer um eine Nacht verlängern. Dann der Schock. Mein kleiner Billig-Laptop lässt sich nicht mehr booten. Die Fehleranzeige deutet auf ein ernsthaftes Problem in der DNA der Maschine. Offenbar hatte das abgebrochene Update zu dem Crash geführt. Ich recherchiere im Handy. Aber egal welche Taste ich drücke, welchen Vorschlag ich befolge: Es geht nichts mehr. Mist.

Ich beschließe auf den Schreck eine kleine Stadttour. Es ist ziemlich heiß. Heißer wie sonst im November wie man mir sagt. Gestern habe ich ja ungefähr den Weg Richtung Hauptstraße gesehen.

Rund um das Hotel: Rathaus, Zentralbank, Provinzverwaltung, Hafen, Stadion: das ist auf hundert Meter sowas wie eine kleine Enklave jenseits der Armut. Den Rest der Stadt (120.000 Einwohner) kann man ohne Übertreibung als Slum bezeichnen. Natürlich hätte ich mir gerne die Verladeanlagen von der Bahn aufs Schiff im Hafen angeschaut. Aber der Weg dorthin führt nach meiner Einschätzung durch ziemlich unsicheres Terrain. Also andere Richtung: Hauptstraße entlang.

Gestern Abend habe ich ja schon die Fahrt in einem Uralt-Taxi genossen. Das sind keine Oldtimer wie in Kuba sondern die Schrottautos, die wir in Zahlung geben, um mit der Umwelt-Prämie mit gutem Gewissen einen Neuwagen zu kaufen. Unsere Öko-Seele mag das beruhigen. Dabei haben wir lediglich unsere Dreckschleuder nach Afrika verschoben wo sie -mit ausgebautem Katalysator- noch einige Jahrzehnte und einige 100.000 Kilometer mehr läuft. Klasse für die Emmissions-auf dieser Welt.

Ich möchte eines der Schrottvehikel fotografieren. Ein Polizist mit Gewehr in der Hand hält mich an. Ich habe nicht bemerkt: das Auto steht vor einer Kaserne. Naja, die war aber nicht so leicht zu erkennen. Unsere Bundeswehr würde streiken, wenn sie das Gebäude auch nur als Latrine zum Pinkeln nutzen müsste.

Jedenfalls bin ich verhaftet und werde in das Innere der Anlage geführt. Der Chef höchst persönlich begrüßt mich. „Allemagne“ sage ich. Wenigstens lächelt er daraufhin. Er spricht sehr gut Englisch. Ich erkläre ihm, dass ich doch nur das alte Taxi knipsen wollte. Die Bilder auf meinem Handy werden durchstöbert. Zum Glück habe ich die Fotos von der Grenzkontrolle auf dem anderen Apparat. Nichts Verdächtiges. Ich werde belehrt: Militär, Polizei, Sicherheit. No Pictures. Ich nicke demütig und der Soldat, der mich verhaftet hat, darf mich wieder nach draußen eskortieren. Diesmal mit Gewehr auf dem Rücken. Er entschuldigt sich. Ich klopfe ihm auf die Schulter: „Alles ok. My mistake“

Die Bettelei auf der Straße ist heftig. Irgendwann ist das Kleingeld alle. Doch die Schar der Kinder zieht unverdrossen hinter mir her. Ich biege in eine Seitenstraße ab. Es gibt hier in diesem Quartier keine kleine Bar. Mal hinsetzen, eine Cola trinken. In dem Stadtteil werden vor allem Autos repariert. Wer bei uns einen kaputten Mercedes aus den 1980er Jahren hat: Hier sitzt das know how, um ihn wieder fahrbereit zu schrauben. Ob auch mit TÜV? Mit einfachsten Mitteln wird gedreht, gehämmert und geschweißt. Gleich ob Auto oder Motorroller. Schrotthaufen, die wirklich fahruntüchtig sind, werden zerlegt. Jeder Bolzen, jedes Teil könnte ja wieder gebraucht werden. Es sind keine Werkstätten wie bei uns sondern einfache Hütten. Man sitzt davor im Sand und arbeitet. Sechs bis sieben Dollar beträgt der Verdienst im Schnitt in Mauretanien pro Tag. Hier soll er kaum höher als ein Dollar sein.

Zurück auf der Hauptstraße. Der Besitzer eines Ladens verkauft Kamelfleisch. Er wollte unbedingt geknipst werden als ich seine Werbung vor dem Laden fotografierte, duckte sich dann aber weg. Später ist mir eine andere Aussage des Bildes aufgefallen, die das Leben hier prägt. Rechts oben ist ein Bildschirm zu sehen. Die Menschen verfolgen den halben Tag auf Netflix, im TV, auf dem Smartphone das Leben in unserer „ersten“ Welt. Der Kontrast zu ihrer eigenen Situation begleitet sie permanent. Und natürlich wollen sie ein Leben wie wir. Genauso wie wir. Und sie wissen, dass sie unter den Rahmenbedingungen in ihren Ländern dafür nie eine Chance erhalten werden. Also setzen sie alles daran in die EU zu kommen, egal wie hoch ihr persönliches Risiko ist. Kein Zaun und keine Obergrenze werden sie aufhalten. Und wenn wir statt Geld nur Sachleistungen gewähren: So what. Jeder der einen Dollar pro Tag nach Hause schickt, verdoppelt das Einkommen siner Familie.

Nouadhibou liegt auf einer Halbinsel. Mehre Kilometer lang aber kaum 500 Meter breit denn Mauretanien teilt sich den schmalen Streifen mit Marokko. Die Erzbahn läuft in der Mitte hart an der Grenze. Trotzdem traue ich mich nicht die letzten 150 Meter bis zu den Gleisen zu laufen. Hierleben die Menschen quasi in Pappkartons. Es geht nicht nur um meine Sicherheit sondern ich möchte nicht wie jemand wirken, der Elend besichtigt.

Auf dem Rückweg. Ich kaufe Cola und O-Saft, der hier aus der Dose mit Fruchtfleisch super schmeckt. Dazu einige Kekse. Morgen ist wieder Reisetag, da möchte ich vorher nichts Frisches essen.

Nach drei Stunden zurück ins Hotel. Lesen, schreiben. Abends bestelle ich bei der Lady an der Rezeption meinen Transfer zur Bus-Station. Sie nickt eifrig. Punkt 6.15 Uhr soll ich am nächsten Morgen antreten. Denkste.

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Mittwoch, 15. Nov. 2023. Dakhla – Nouadhibou

Heute geht es endlich weiter. Um 8.30 Uhr ist Abfahrt. Die Busstation liegt zum Glück keine 200 Meter vom Hotel entfernt. 7 Uhr aufstehen, duschen. Es ist noch Zeit für eine Zimmerreservierung per Internet. Wann habe ich wieder so ein gutes Wlan? Also jetzt die Chance nutzen. Eine fatale und teure Entscheidung wie ich zwei Tage später leidvoll erfahre. Nach der Buchung fängt der Reise-Laptop (ein Billiggerät vom Discounter) an mit einem Update. Vorher hatte ich immer abgelehnt, wenn der PC mir neue Software aufspielen wollte. Jetzt fragt er nicht einmal sondern legt einfach los. Nach einer halben Stunde ist er bei 23 %. Ich breche den Upload ab. Der Bus wartet und wer weiß wann wieder einer fährt.

Sonnenaufgang

Dort warten nur wenige Fahrgäste. Zeit genug um für ein Petit Dejeuner nebenan in einer kleinen Bar. Ein Baguette mit Käse plus Kaffee. Richtig gut. Vorher schnell die Registrierung bei der Busgesellschaft. Gepäck verstauen, Sitzplatz suchen.

Der ziemlich moderne Bus füllt sich an den kommenden drei Stationen quer über die Stadt. Ich habe Glück. Der Platz neben mir bleibt frei. Allerdings sitze ich auf der Sonnenseite, Das bedeutet: die Vorhänge bleiben geschlossen. Keine Aussicht.

Am letzten Stopp werden die Klappen unter dem Wagen mit Kisten und Kartons gefüllt. Die Fahrt dient auch der Versorgung der kleinen Orte entlang der Straße.

Wir fahren immer die Küste entlang. Je weiter wir nach Süden kommen, desto schmaler wird die Straße. Aber es ist ordentlich LKW-Verkehr. Mauretanien muss Obst und Gemüse importieren. Und viele der Trucks haben sogar den Senegal oder noch weiter entfernte Länder zum Ziel.

Es geht gut voran. Halte in vier fünf Wüstenkäffern. Hier möchte man nicht leben. Ab und zu ein Checkpoint. Ein Polizist oder Soldat schaut freundlich in den Bus und weiter geht es.

Gegen 14.30 Uhr endet die Fahrt an der marokkanisch / mauretanischen Grenze. Es ist noch Mittagspause. Das Tor zu.

Ein Beamter gibt uns zu verstehen, um 15 Uhr geht es weiter. Die LKW Schlange ist lang. Bis der Schlagbaum um 18 Uhr wieder runter gelassen wird, werden sicher nicht alle die Grenze passiert haben.

Ich spreche zwei Europäer an: einen Waliser und einen Polen. Wir verabreden gemeinsam die Kontrollen zu passieren. Später schließen sich zwei Franzosen uns an. Kurz vor drei kommen die Beamten vom Essen zurück. Wir müssen zu Fuß über die Grenze. Auf der anderen Seite soll ein Van auf uns warten. So steht es im Internet.

Erste Station: Eingangskontrolle: Im Prinzip wird überprüft, ob jeder einen Pass dabei hat und ob Bild und Inhaber sich ähnlich sehen. Fünfzig Meter weiter eine kleine Bude.

Einer von uns hat immer die Papiere im Blick. Sind die weg, wird es unangenehm.

Die Fenster sind verschlossen. Der Beamte ist wohl noch in Mittagspause. Wir müssen unsere Ausweise auf einen Stapel legen und warten in der Hitze. Gut dass wir Europäer uns zusammengetan haben. Vor der Bude drängen sich mittlerweile 30 bis 40 Leute. Da macht es Sinn, dass einer von uns immer einen Blick auf die gestapelten Papiere wirft, während der Rest von uns den Schatten sucht.

Es geht weiter

So nach 20 Minuten hat der Zöllner hier auch sein Dessert intus und es kann losgehen. Leider mit dem falschen Stapel. Unsere Pässe sind die letzten die gestempelt werden.

Rucksack aufschnallen. Unser Gepäck wird nicht kontrolliert. Im Prinzip ist die Prozedur freundlich, eigentlich easy. Aber sie dauert. Und sie ist noch nicht fertig. Denn wir reisen nicht direkt nach Mauretanien sondern müssen zwei Kilometer durch No-Man’s-Land, also Niemandsland. Die Passage war bis vor einigen Jahren schwierig. Hier wurde gekämpft. Auch wenn mittlerweile die meisten Minen beseitigt sind, garantieren kann niemand, dass neben der Piste noch Explosionsgefahr herrscht. Auch die zerschossenen Autos und Panzer von denen man im Internet gelesen hat, sind mittlerweile abgeschleppt Marokko habe wohl hier in den letzten Jahren in allen Belangen für Ordnung gesorgt, liest man. Aber: wir betreten hinter der Grenze „Niemandsland“. Deshalb müssen wir mit allen Schikanen noch einmal registriert werden.

Der berühmte Wall. Unser Anblick während der Wartezeit

Jenseits des Schlagbaums stehen massig Autos, die wohl den Transport bis zur mauretanischen Grenze übernehmen. Der Pole ist mittlerweile abhanden gekommen. Er musste sich eh ab hier ein neues Ticket kaufen. Der Waliser und ich hatten bis Mauretanien durchgebucht. Ein junger Mann spricht uns an, ob wir Tickets von Supra@Tours hätten. Haben wir. Unser Gepäck wird auf das Dach eines Van verladen, der überhaupt nicht so neu und bequem aussieht wie der von der Gesellschaft im Internet gezeigte. Also eher ein Buschtaxi. Es ist ziemlich eng. Wir blicken durch die Tür auf eine Müllhalde und die Mauer, die hier irgendwann vor einigen Jahrzehnten entlang der Grenze gebaut wurde, um wen auch immer vom Überschreiten abzuhalten. Der Waliser erzählt, man könne diesen Wall vom Weltall aus der Raumstation erkennen. Der Anblick dieser Barriere macht aber auch klar wie sinnlos das Bauen von Mauern ist. Eigentlich hat man hier Meterhoch über einige hundert Kilometer Sand aufgetürmt, der sich mit jedem Sturm weiter verflüchtigt.

Im Bus ist Geduld angesagt. Wir wissen nicht, warum es nicht weitergeht. Niemand hier spricht Englisch. Der Waliser und ich zweifeln irgendwann, ob wir im richtigen Transporter sitzen, sagen uns aber, dass wir es eh nicht ändern können. Nach einer Stunde kommt eine junge Frau in den Van. Auf sie und ihren Mann haben wir wohl gewartet. Er darf die Grenze nicht passieren, wenn wir die Gesten richtig interpretieren. Beide rufen sich noch etwas zu. Es geht weiter.

Bis zu dem kleinen Hügel reicht die Einflußzone von Marokko. Soweit ist auch die Straße geteert. Danach wird es holprig.

Auf dem ersten Kilometer ist die Straße zwar schon ganz schmal aber noch geteert. Der letzte Kilometer Richtung Mauretanien ist Piste, prall bedeckt mit Schlaglöchern, manche Metertief. Unser Driver fährt Slalom. Er macht die Tour wohl täglich. Kein Grund zur Sorge.

Vor dem Tor zu Mauretanien warten schon die Geldwechsler auf uns. Kaum stehen wir reisen sie die Tür auf. Der Walliser kennt sich mit den Kursen gut aus und ich tausche einen Teil meiner marokkanischen Dirham in mauretanische „was weiß ich“.

Blick aus Mauretanien Richtung Marokko

Die Zollstation ist von hohen Mauern umgeben. Drinnen nimmt uns unser Fahrer an die Hand. Wir brauchen im Gegensatz zu den Afrikanern ein Visum-on-Arrival. Da ist es gut, wenn jmd die Zuständigkeiten kennt. Aber erst mal zeigen, dass wir einen Pass haben und dass das Bild uns zeigt. Danach geht es in die Visa-Abteilung: Ein dunkler Raum. Auf einem schäbigen Sofa ein schlafender Zöllner. Ich traue mich nicht zu fotografieren. Aber dann geht alles relativ flott. Ich ziehe meine Fußballnummer ab. I’m Bayern München, my College is Arsenal. Ist meistens ein Eisbrecher. So auch hier. Der PC auf dem Schreibtisch ist Baujahr 2000 oder früher und seither nicht gereinigt. Aber es reicht, um die 55 Euro Gebühren zu verbuchen und eine Marke in den Pass zu kleben.

Nächste Station: Polizei. Hier drängen sich zwanzig Menschen um die Tür. Wir bekommen unsere Pässe abgenommen und warten. Jedes Mal wenn ich denke: jetzt ist mein Pass dran, betritt jemand den Raum und legt einen neuen Stapel Papiere hin und mein Dokument und das des Walisers rutschen wieder nach ganz unten. Blödes Spiel. Vor allem weil wir in einer Menschenmenge stehen in der wir von allen Seiten geschubst und gedrückt werden. Corona und Taschendiebe sind meine Befürchtung. Zufall oder mit der Absicht auf einen Dollar Schein im Pass?

So nach 30 Minuten werde ich ärgerlich und beschwere mich. Der Türsteher zeigt Verständnis und tatsächlich 15 Minuten später werden unsere Dokumente gestempelt. Es dauert extra, weil bei Europäern der halbe Pass nochmal abgeschrieben wird. Dann steht der Beamte auf und geht mit uns vor die Tür ohne uns die Papier zurückzugeben. Hier ein Schwätzchen, da eine Umarmung. So nach zehn Minuten kehrt er zurück in das Gebäude. „My Boss“ meint der Zöllner und zeigt auf einen baumlangen Kerl, der sich unsere Pässe krallt und in einen anderen Raum führt.

Irgendwie ist der Mensch ja urig angezogen. Eine Warn-Weste wie ein Mitarbeiter der Autobahnbaumeisterei auf der groß die Buchstaben „Interpol“ prangt. Auf dem Programm steht: Kreuzverhör oder so was ähnliches. Der Mann spricht gut Englisch. Woher, wohin? Beruf? Verdienst? und und und. Ich überlasse dem Walliser die meisten Antworten. Irgendwann kommt unser Fahrer rein (die beiden kennen sich wohl) und drängt auf Abfahrt.

Es geht weiter: Nächster Quälgeist: Der Drogenhund. Für mein Gepäck zeigt er kein Interesse aber mich schaut er ziemlich missmutig an. Möchte nicht wissen was der Wau Wau denkt. Zu guter letzt noch einmal Pass zeigen. Stempel drin, Bild bin ich. Mauretanien wir kommen.

Nach zwei drei Kilometern überqueren wir die Gleise der Erzbahn. Ein Notfoto aus dem vollen Van vom Bahnübergang, Ist ja schließlich mein Hobby.

Keine 50 Meter weiter hält der Kleinbus an einer Kreuzung neben einem anderen Transporter. Umladen. Hier werden die Passagiere Richtung Nouakchott und Nouadhibou getrennt. Ich beschließe die Zeremonie von außen zu verfolgen, obwohl ich meinen Bus nicht wechseln muss, denn er fährt Richtung Nouadhibou weiter. Aber so kann ich noch ein Bild vom Bahnübergang machen.

Gut dass ich aussteige. Der Boy denkt wohl, dass ich mit dem Waliser weiterreise und hat meinen Rucksack auf den Van Richtung Hauptstadt gewuchtet. Alles zurück. Ich denke mir „alles ist gut“ und setze mich wieder auf meinen Platz. Plötzlich zwei Geräusche gleichzeitig. Es ist wieder jemand aufs Dach gestiegen, obwohl auf beiden Wagen bereits ein Netz über das Gepäck gespannt ist. Und eine Lokomotive pfeift. Gibt es doch nicht denke ich: Was für Glück. Höchstens viermal am Tag werden die Schienen genutzt. Und jetzt gerade, wenn ich komme.

Ein kilometerlanger Erzzug rauscht an uns vorbei. Er kommt vom Hafen. Die Waggons sind leer, Bevor ich wieder Einsteige ein Blick auf das Dach des Van. Siehe da. Jetzt steht die Tasche auf dem falschen Dach. Alarm. Alles zurück.

Endlich kann es weiter gehen. Es sind etwa 20 Kilometer bis Nouadhibou. Dort kommen wir mitten in einem Slum an. Hohe Mauern begrenzen den Fuhrpark des Unternehmens. Ich frage wie ich an ein Taxi komme. „An die Straße stellen“. Blöd nur, hier gibt es keine normalen Taxis sondern nur Wagen die anhalten und man steigt ein. Meist überfüllt, immer total ramponiert. Keine Scheiben, fehlende Armaturen, keine Türgriffe, total zerbeult. Ich steige in einen Wagen mit zwei bunt gekleideten Ladies und einem Fahrer, der ununterbrochen lacht und Scherze macht. Mein Hotel kenne er, schwört er mir. Irgendwann merke ich, er sucht. Ich habe die Adresse auf dem Handy. Nützt nix. Er kann wohl nur arabisch lesen. Zwei dreimal findet er einen Kumpel der die lateinische Schrift beherrscht. Nutzt auch nix. Hauptsache er bleibt weiter so fröhlich.

Irgendwann hält er vor einer Herberge. Ist aber nicht die die ich gebucht habe. Der Name klingt aber ähnlich. Von hier werden wir nach dort geschickt und von dort nach da. Stadtrundfahrt ist angesagt. Plötzlich sehe ich von Ferne die Flutlichtmasten. Genau: Mein Hotel grenzt an ein Stadion. Gefunden.

Ich hatte nur für eine Nacht gebucht, weil ich erst wissen musste, wie ich weiter nach Nouakchott komme. Die nächste Odyssee beginnt. Einchecken an der Rezeption geht schnell. Klar. Der Chef ein Spanier, managt alles. Auch der Mann von der Rezeption macht das professionell. Um den Bus zwei Tage später soll sich die Assistentin kümmern. Sie verspricht zu telefonieren. In dreißig Minuten sei alles in Ordnung. Denkste. Als ich nach einer Stunde wieder komme. Upps. Vergessen. Naja, wenn man nur auf dem Handy surft. Nach dreißig Minuten das gleiche Spiel. Ich gehe Abendessen. Wieder nix. Zum Glück ist der Spanier wieder da. Ein Anruf und er hat eine Agentur an der Strippe. Da für den übernächsten Tag schon viel verkauft sei, solle ich gleich kommen. Der Boy des Hauses packt mich in einen uralt Pickup, der alle 400 Meter neu gestartet werden muss. Er nutzt kosequent die Gegenfahrbahn, beschimpft die Entgegenkommenden als Geisterfahrer und mag keine roten Ampeln. Aber ich bekomme mein Ticket. Auf der Rückfahrt halten wir noch an einem wundervollen Obststand. Ich decke mich ein, inklusive Cola im Laden nebenan.

Gut ggeschlafen.

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Dienstag, 14. November 2023. Dakhla

Noch ein weiterer Tag hier. Morgens wieder das Frühstück auf der Dachterrasse genossen. Also hauptsächlich die Aussicht. Lesen.

Ich hatte bei Booking.com das Zimmer gebucht. Für die Verlängerungsnacht wollte der Bursche an der Rezeption plötzlich einen Aufschlag von 50 Prozent. Die Masche ziehen sie wohl öfter ab, wenn ich die Bewertungen richtig lese. Ich schüttle nur den Kopf. Gut ist es.

Später ein wenig um die Häuser stromern. Ich ernähre mich heute wie immer vor langen Fahrten von Keksen, denn Morgen werde ich zehn oder elf Stunden im Bus sitzen. Irgendein Virus beim Abendessen am Vortag kann die Fahrt zur Hölle machen.

Kleiner Abendspaziergang an der Promenade. Danach versuche ich es nochmal mit Alkohol. Am Tag zuvor hatte ich eine Kneipe „English Corner“ gesehen. Naturgesetz: Wo Briten sind, gibt es auch immer Bier. Selbst auf England ist seit dem Brexit kein Verlass. Allenfalls ein Schweppes haben sie in der Ecke. Also begnügen ich mich mit Süßlimo plus Espresso und ab ins Bett.

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Montag, 13. November 2023. Dakhla

Lazy Monday. Eine Etappenstadt auf dem Weg Richtung Mauretanien und Senegal. Biker und Jeep-Fahrer machen hier Rast. In meinem Hotel ist eine Gruppe Belgier. Mit vier Autos sind sie auf dem Weg in den Süden. Sie nehmen die Sahara-Route im Inneren von Mauretanien entlang der Eisenbahnlinie, auf der Erze aus der Wüste Richtung Nouadhibou transportiert werden. Wäre mein Traum. Aber dieser Abstecher ist mir zu riskant. Da die West-Sahara von Marokko annektiert ist, gibt es eh schon für hier Reisewarnungen und das Auswärtige Amt schreibt auf seinen Seiten, Annalena dürfe mich hier leider nicht mehr betreuen. Meine Trauer über ihre Weigerung hält sich in engen Grenzen. Die Route der Belgier gilt seit dem Trouble in Mali als hoch riskant, auch wg Entführungen. Die haben zwar einen Guide dabei aber dennoch ich frage lieber nicht, ob sie noch einen Platz frei haben.

Das kleine auf dem Teller ist mein Frühstück. Fladenbrot und zwei Käseecken plus Kaffee. Später noch ein wenig Obst, Teilchen und Saft

Mein Hotel wirbt mit vier oder fünf Sternen. Naja. Aber ordentliche drei sind es schon. Sauber, schnelles Wlan und eine traumhafte Dachterrasse. Das Frühstück ist wieder nix für Diabetiker. Mit Käse, Brot, Butter, einem Teilchen und Obst komme ich gut zurecht. Die Aussicht über das Meer ist schon eine Reise wert. Für einen zweiten Kaffee bleibe ich für eine Stunde hier sitzen. Später schreibe ich ein wenig über die vergangenen Tage. Mittagsschlaf. Gegen vier mache ich mich auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Im Prinzip ist sie auf einer Halbinsel um einen Flughafen gebaut. Viele spanische Zitate bestimmen das angenehme Stadtbild. Auffallend, dass nur ganz wenige junge Mädchen verschleiert sind. Die meisten sind ziemlich westlich gekleidet. Dakhla sei ein Zentrum für Kite-Surfen habe ich gelesen. Davon ist hier auf der Seite Richtung Festland nichts zu sehen.

Auch in den Geschäften deutet wenig darauf hin, dass hier Surfer Kunden sein könnten. Vielleicht ist das am Meer jenseits des Airports anders. Das Angebot hier in den Läden richtet sich eher an die Hausfrauen vor Ort.

Es gibt so eine Art Mall für Schmuck

Ich sehe zwei Europäer aus einem Barber Shop kommen. Sie scheinen sehr zufrieden Der Salon sieht auch innen gut aus: Rasieren. Haare schneiden. Eine ganze Stunde Arbeit für vier Euro. Ich runde ziemlich großzügig auf. War zwar nicht einfach mit der Verständigung: aber der Mann könnte bei uns sofort anfangen.

Abends in ein im Internet hochgelobtes Fischlokal, das angeblich sogar eine Lizenz für Alkohol hat. Das mit dem Sprit stimmt nicht und auch der Blick auf die Speisekarte und die Nachbartische sind eher ernüchternd. Ich bestelle eine Paella. Kann man nicht viel falsch machen.

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Sonntag, 12. Nov. 2023. Marrakesch – Dakhla

Ab jetzt wird es härter. Die Wüste ruft. Morgens im Hotel gut gefrühstückt. Wirklich lecker hier. Der anschließende Zirkus mit dem Taxifahrer war weniger köstlich. Er wollte mich richtig abziehen. Mit Hilfe des Türstehers vom Hotel. Kleiner Auflauf. Ohne zu fragen, schnappte sich der Chauffeur meinen Rucksack und rannte in eine Richtung wo sein Wagen stehen sollte. Kurz haben wir beide an dem Stück gezogen, dann war er wieder mein. Ich habe ein Taxi auf der Straße angehalten. Problem gelöst. Die Jungs hinter mir haben richtig getobt.

Warten am Airport. Eine Fahrt mit dem Bus in die West Sahara hätte 25 Stunden gedauert. Kein Vergleich zu den drei Stunden, die man vorher am Airport sein sollte. Aber erst mal warten. Bis die Jungs am Check ihre Counter eingerichtet hatten, war die erste Stunde rum. Dann fiel in meiner Reihe der PC aus. Aber mit Reißverschluss-Verfahren ging es flott weiter. Der Ansturm auf die Maschine war eh überschaubar. Viele sehr alte Menschen an Bord. Mit Rollstuhl und Betreuer. Man fliegt offenbar Patienten aus der Wüste ins Krankenhaus.

Absolut ruhiger Flug in einer maximal halbvollen Maschine. Ziemlich neuer Airbus. Billiglinie. Da kostet halt die Cola. Blöd nur wenn die Mädels kein Wechselgeld haben. Zum Glück hatte ich noch zwei Euro in der Jeans. Landung in einer anderen Welt.

Hier kommen so drei bis vier Maschinen die Woche an. Das will halt jeder Polizist und jeder Zollbeamte, obwohl Binnenflug, alles besonders genau machen. Es dauert.

Hotel. Auspacken. Abends habe ich mich um die Weiterreise Richtung Mauretanien gekümmert. Frust am Schalter in der Station. Der nächste Bus kommt erst am Mittwoch. Drei Tage in Dahkla rumhängen. Ich kaufe ein Ticket bis Nouadhribu oder so. Ich hätte auch gleich bis Nouakschott durchfahren können. Aber dann wären nochmal sechs Stunden Fahrt on top gekommen. 15 Stunden im Bus sind mir zu lang. Deshalb mache ich die Reise in zwei Etappen.

Später am Strand zugeschaut. Es ist angenehm warm. Mich von Keksen und Cola ernährt. Früh geschlafen.

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Samstag 11. November 2023. Marrakesch

Morgens gut im Hotel gefrühstückt. Endlich mal wieder richtig Abwechslung am Buffet. Vor allem verschiedene Käsesorten, Tomaten, Oliven und Gemüse.

Dann in ein kleines Cafe auf einen Tee…

…Straße gugge. Unsere Bauaufsicht hätte ihre helle Freude.

Lesen und schreiben. Um 14 Uhr Pflichttermin: Kickers-Spiel im Internet hören. Wir haben gewonnen. Auswärts in Steinbach. Das ist ein Gute-Laune-Bringer.

Abends zum Jemaa el-Fna Platz. Er hat großen Anteil, dass Marrakesch ein Touristenmagnet ist. Die Stadt hat sich verändert: aber nicht zum Positiven. Oder doch: wenn man es aus der Brille der Menschen, die hier leben, sieht. Viele profitieren gut davon. Das ist auch eine Qualität. Hier bietet der Staat halt keine „Rundum-sorglos-Pakete“. Die Menschen sind darauf angewiesen, jede Chance auf einen Verdienst zu nutzen.

Ich war schon einmal hier. 1989. In jenem Jahr bin ich mit dem Bus und dem Zug quer durch Marokko. Marrakesch wirkte zwar damals schon nicht mehr wirklich authentisch, aber die Stadt hatte immerhin noch einiges von ihrem ursprünglichen Charme und Flair bewahrt.

Einst war sie Anziehungspunkt für Menschen, die einmal im Jahr aus vielen hundert Kilometern Entfernung in die Metropole kamen. Man muss sich das vorstellen. Aus primitiven Bergdörfern im Atlas oder aus den Weiten der Wüste reisten sie manchmal Tage hierher. Das ganze Jahr harte Arbeit. Wohnen in Hütten ohne Wasser und Licht. Da wollte man hier nicht nur Besorgungen machen: Einkaufen, Arzt etc sondern auch mal in eine Glitzerwelt eintauchen, was erleben, einen drauf machen. Der Jemaa el-Fna Platz war allabendlicher Treffpunkt: zum Essen, zum Musizieren. Jede Menge Gaukler bespaßten die Landeier. Und natürlich gab es Nepper, Schlepper, Bauernfänger.

1989 konnte ich noch etwas von den Ursprüngen erleben. Die Einheimischen dominierten die Szenerie. Man saß in Gruppen auf dem Boden, hörte Geschichtenerzählern zu, lauschte den Trommlern oder bewunderte Akrobaten. Eine Nummer ist mir noch besonders in Erinnerung. Und ich muss jedes Mal lachen, wenn ich daran denke. Alles habe ich nicht verstanden aber die Gesten war eindeutig. Um einen Teppich standen Menschen und ein Mann erzählte ihnen, wenn sie jetzt Geld auf das Tuch werfen, fliege die Spende direkt nach Mekka und mit ihr alle Sünden. Eigentlich ein faires Geschäft. Viele Zuschauer nutzten die Gelegenheit des Ablasshandels. Und warfen „Sicher ist sicher“ nicht nur Münzen sondern auch Scheine. Der Mann rollte nach zehn Minuten den Teppich zusammen, sprach einige Gebete. Und was soll ich sagen: Als er die Matte wieder ausrollte, war das Geld auf dem Weg nach Mekka oder so.

Aber schon damals verstanden viele, dass mit Touristen das bessere Geld zu machen ist. Die Schlangenbeschwörer ließen ihre Nattern nur tanzen, wenn die Ausländer vorher für das Foto zahlten. Was ich ja auch irgendwie verstehen kann. Nur gegen die Besucher der Dachterrassen, die mit ihrem Riese-Tele Gratisbilder schossen, hatten die Fakire und ihre Nattern keine Chance. Das war halt der Unterschied. Die Wüstenbewohner gaben freiwillig einen Opulus, wenn den Kick genießen wollten. Spät abends mit der Dunkelheit wurden hier ungezählte Stände aufgebaut. Streetfood Time. Man setzte sich irgendwo daneben und radebrechte.

Heute ist das Angebot auf diesem Platz austauschbar mit allen Hotspots auf dieser Welt. Blinkende kleine Propeller, Plastik Minarette, Tür-Magnete, Flaschenangeln und China Schrott. Ein Teil der Fläche würde bei uns als Polenmarkt durchgehen. Statt orientalischer Klänge und Exotik: HipHop Tänzer und Ballon-Verkäufer. Koberer versuchen die Passanten zu den mittlerweile fest eingebauten Essständen mit vorgegaukelter Authentizität zu ziehen. Dazwischen Mopeds und Motorräder ohne Ende.

Eigentlich wollte ich ja zum Essen hierher. Aber das Angebot lockt schon beim ersten Hinsehen nicht. Also wenn schon denn schon. Nachdem ein Falafel-Lokal in einer benachbarten Gasse, das ich als Alternative erkoren hatte, geschlossen ist, gönne ich mir in einer Seitenstraße der Medina ganz weit hinten und fern vom Trubel einen Edelitaliener.

Ein einfaches Haus in einer heruntergekommenen Straße.

Innen aber 1000 und eine Nacht. Richtig gut. Richtig vornehm. Aber auch unverschämt teuer.

Am Ende finde ich aus dem Labyrint an Gassen wieder heraus und schaffe es sogar mit dem Linienbus mein Hotel in drei Kilometer Entfernung zu finden.

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