Ein Beitrag zum Stadtbus in Mühlheim: Erstellt im Juni 2022

  1. Der Hopper: Chance oder Flop?

    Der Hopper soll die Antwort auf das stetig steigende Defizit beim Stadtbus sein. Die Mühlheimer Bevölkerung nimmt die bisherigen innerstädtischen Nahverkehrsangebote nur unzureichend an. Vergleichsweise wenige Fahrgäste nutzen den Stadtbussen und die Linie 120. Ganz im Gegensatz zur S-Bahn. An den beiden Mühlheimer S-Bahn-Stationen boomen die Passagierzahlen. Aber die Pendler und Reisenden kommen lieber zu Fuß, mit der Fahrrad oder dem Auto zur S-Bahn. Auch wenn zu Hauptverkehrszeit 100 und mehr Menschen in den Zug steigen, nutzt nur weniger als eine Handvoll von ihnen den Bus als Zubringer. Der Stadtbus produziert ein steigendes Defizit in Höhe von mittlerweile 800.000 Euro. Es aufzufangen, reicht der steuerliche Querverbund schon lange nicht mehr. Hinzu kommt der Zuschuss zur Linie 120.

    Die Verantwortlichen im Rathaus und bei den Stadtwerken machen glauben: die Mühlheimer hätten eine besondere Form einer Allergie gegen eine Fahrt im Stadtbus und würden deshalb auf seine Benutzung verzichten. Drastische Einschnitte sind geplant. Der Hopper eine Art von Anrufsammeltaxi soll anstelle des Stadtbusses treten. Die Linie 120 wird eingestellt. Möglicher Ersatz soll ein Bus Richtung Offenbach Ost sein. Der Markwald wird komplett vom ÖPNV abgehängt. Nach Lämmerspiel soll aber weiter ein Bus verkehren. Soweit -und wahrscheinlich unvollständig- die Gerüchte.


  2. Das Grundlinienspiel in Mühlheim

    In Mühlheim halten je Fahrtrichtung über 60 S-Bahn-Züge täglich. Daten über Fahrgastzählungen liegen nicht vor. Arbeitshypothese: Es steigen etwa 5.000 Fahrgäste an den Stationen Mühlheim und Dietesheim werktäglich am Morgen ein und am Abend aus. Das sind etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Wenn von diesen täglichen 10.000 Nutzern der S-Bahn 5.000 für ihre Weiterfahrt in den Stadtbus umsteigen würden, wären die Busse voll, ein guter Schritt in Richtung Klimaneutralität.

    Die Gründe für die schlechte Nutzung der Stadtbusse sind in Mühlheim hausgemacht. Es ist ein Fahrplanangebot, mit dessen Planung und Management die Stadtwerke überfordert wirken. Wissenschaftliche Forschung, aber auch der Blick in andere Städte der Republik, belegen: Menschen nutzen den ÖPNV rege, wenn das Angebot attraktiv ist. Attraktiv bedeutet vor allem, eine möglichst schnelle Fahrt von A nach B für die Mehrzahl der Nutzer, für die Masse der Pendler so kurze Fahrzeiten wie möglich und eine optimale Verknüpfung von Subsystemen wie dem Stadtbus mit schnellen regionalen Verbindungen wie der S-Bahn.

    Seit fast einem Vierteljahrhundert wird an dem System „Stadtbus Mühlheim“ erfolglos gedoktert ohne die Grundprobleme zu lösen:

    –              ein überfrachtetes Liniennetz
    –              wenig attraktive Fahrzeiten
    –              mangelnde Koordination der Anbieter (Stadtbus, ovb, kvg und S-Bahn)
    –              schlechte Information

    Keines dieser Grundprobleme löst der Hopper. In Zeiten einer notwendigen Verkehrswende schafft die Stadt Mühlheim ein neues System, das den Bedarf der Masse der Menschen vor Ort ignoriert. Einsparungen an Co2 lassen sich nur spürbar erzielen, wenn Pendler ein schnelles und leistungsfähiges Angebot finden, attraktiv, um auch bei der Fahrt zur S-Bahn vom Auto in die S-Bahn umzusteigen. In benachbarten Gemeinden wie Rodgau oder Obertshausen gibt es ein solches Angebot und hier ist vom Anschein her die Zahl der Umsteiger an den S-Bahnhöfen deutlich höher.

    Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die geplante Anzahl der Hopper überhaupt in der Lage ist, die Masse an Fahrgästen von und zur  S-Bahn zu bewältigen, auch wenn eine Buslinie den Verkehr Richtung Lämmerspiel ergänzt. Die Frage scheint vor der aktuellen Verkehrswende rasant an Bedeutung zu gewinnen. Billigere Ticketpreise, steigende Benzinkosten werden viele Menschen bewegen, vom Auto auf den Bus umzusteigen. Mühlheim macht sich kurz vor dieser Wende nackig. Für den Massentransport ist der Hopper keine Alternative. Mühlheim schlägt mit der Streichung der Stadtbusse und der Herausnahme der 120 aus dem Markwald bei der Verkehrswende einen Salto rückwärts. Das verwundert in einer Stadt deren neue parlamentarische Mehrheit ambitionierte Ziele für Klimaschutz formuliert hat.

  3. Historie

    2.1. S-Bahn

    Die Inbetriebnahme der S-Bahn im Jahr 1995 bedeutete eine Zäsur in der Entwicklung Mühlheims, die weit über die Verkehrssteuerung hinausgeht. Die neuen Züge haben die Stadt eng in das schnelle Netz der Region eingebunden. Mühlheims ist mit der S-Bahn im Alltag in der Region angekommen. Ein Schub für Wohnen und Arbeitsplätze. Statt unregelmäßiger Verbindungen mit der Bummelbahn Richtung Frankfurt und einer Ringlinie (120) Offenbach, Heusenstamm, Obertshausen, Mühlheim und einer Linie 103 fuhr ab dem Jahr 1995 eine (meist berechenbare) S-Bahn quasi als Rückgrat für Arbeit, Einkaufen, Studium, Ausflüge.

    Das S-Bahn Angebot wurde in den folgenden Jahren systematisch ausgebaut. Stichworte: Taktverdichtung im Berufsverkehr und häufigere Fahrten an Sonntagen. Heute benutzen auch außerhalb des Berufsverkehrs oft 100 und mehr Menschen einzelne Züge zum Ein- und Aussteigen.

    2.2. Stadtbus

    Der Stadtbus sollte ab Ende der 1990er Jahre für Mühlheim ein Flächendeckendes Nahverkehrsangebot bieten. Das damals geplante Netz mit drei Linien basiert aber nicht auf einer belastbaren Potentialanalyse sondern auf einem parlamentarischen „Wünsch-Dir-Was“, ohne Prioritäten, ohne Bestandsaufnahme realer Verkehrsbeziehungen.

    Während die Mühlheimer mit der S-Bahn in der Region ankamen, sie sehr schnell für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkaufen über die Stadtgrenze hinweg nutzen (und umgekehrt). Pflegten die Verantwortlichen weiter die Illusion einer autarken sich selbst genügenden Stadt im Kokon. Ein Beleg dafür ist die Aufgabenzuweisung für den Stadtbus: die innerstädtischen Beziehungen hatten Priorität, nicht die Verknüpfung mit der S-Bahn, die die Masse an Fahrgästen generiert.

Die Fehler:

  • Überfrachtung: Friedhof, Ärztezentrum, Wochenmarkt, Bürgerhaus, Kirchen, für jede Destination schlug der Bus auf Wortmeldung einer Fraktion einen Haken, fuhr eine Schleife.  So addierte sich bei der Fahrzeit Minute auf Minute. Und mit jeder Minute wurde das Angebot für die Masse der potentiellen Nutzer, also die Pendler als S-Bahn-Umsteiger weniger attraktiv.

  • Mangelnde Koordination mit der Linie 120 der ovb. Die 120 der ovb und Linie 31 aus Lämmerspiel nehmen beide lange Umwege. Die 31 durch das Industriegebiet, die 120 über den Markwald. Die Folge: Unnötig lange Fahrzeiten für beide Linien statt einer Teilung zwischen einer direkten schnellen Anbindung Lämmerspiels über Lämmerspieler Straße zur Bahnhof Südseite und eine Linie vom Friedhof über den Markwald zur Südseite Bahnhof und weiter Richtung Innenstadt. Mit dieser Linienführung ließe sich die Fahrzeit zwischen Einstieg Lämmerspiel bzw Einstieg Markwald und dem Übergang S-Bahn auf unter 10 Minuten verkürzen.

  • Anbindung der Linie 120 an den S-Bahn Knoten „Obertshausen“ zu Lasten von Mühlheim. An 16 von 24 Stunden am Tag bietet der 120er-Bus nur lange Umsteigezeiten von 22 Minuten in die S-Bahn Richtung Frankfurt. Wenn der Bus aus dem Markwald am Horizont auftaucht, fährt die S-Bahn Richtung Frankfurt ab. Die Folge: fast eine halbe Stunde warten.

    Ursache für die langen Umsteigezeiten in Mühlheim sind kurze Übergänge am anderen Ende der Linie in Obertshausen (5 Minuten in bzw aus Richtung Frankfurt). Selbst wenn die S-Bahn im Berufsverkehr im 15 Minutentakt fährt beträgt die Übergangszeit in der Mühlenstadt zwischen der 120 und der S-Bahn 11 Minuten. Die Menschen im Markwald bezahlen die attraktiven Angebote für Obertshausen mit langen Umsteigezeiten vor ihrer Haustür.

  • Stadtbus versus KVG

    Mit dem Stadtbus hat Mühlheim sehr früh auf Eigenständigkeit im Verhältnis zur kvg gesetzt. Die Splendid Isolation, das Steuersparmodell via Stadtwerke hat einen strategischen Preis. Die Stadt verabschiedete sich weitgehend am Andocken an ein kreisweites Angebot inklusive seiner Finanzierung. Es sind Pflöcke eingeschlagen worden, die nur schwer zu korrigieren sind.

  • Informationsaustausch zwischen Stadtbus / Linie 120 und S-Bahn. Weder Stadtbus noch Anrufsammeltaxi, noch Linie 120 haben in der Vergangenheit mit den digitalen Kommunikationssystemen der S-Bahn Kontakt gehabt. So haben Busse oft nicht gewartet, wenn die Überschneidungen bei Verspätungen nur eins / zwei Minuten betragen haben. Hinzu kommt die Verspätungsanfälligkeit der Linie 120, aus Richtung (Offenbach) Rothe Warte wg der stark belasteten Mühlheimer Straße, vor allem aber aus Richtung Obertshausen wg der Kreuzung mit der B 448 bzw der oft verstopften Unterführung unter der S-Bahn, weil die 120 ja über den Bahnhof bis „Haus Jonas“ fährt. 


All diese Anfangsfehler wurden nie nachhaltig korrigiert. Sie sind Ursache mangelnde Akzeptanz durch die Fahrgäste und steigende Defizite. Die Verantwortlichen haben auf diese Entwicklungen mit immer neuen Einschränkungen der Betriebszeiten reagiert, statt die Qualität des Angebots zu verbessern, Stichworte: Direktere Linienführung, kürzere Umsteigezeiten und damit schnellere Fahrzeiten. 

Ich habe bei der Diskussion über die Einführung Stadtbus vor dieser Überfrachtung und der mangelnden Koordination gewarnt. Nachhaltig. In der Stavo. Gegen meine Fraktion und gegen die Rot-Grüne-Koalition. Meine Prognose damals: Durch das wenig durchdachte Angebot, das an der Hauptzielgruppe vorbeigeplant wird, wird der ÖPNV in Mühlheim niemals die Masse der Bevölkerung ansprechen. Mit der Ausrichtung in Mühlheim auf nur kleine Zielgruppen wie Einkäufer und Friedhofsbesucher werde, so meine Prognose zu jener Zeit, so viel Geld verbrannt, dass eines Tages der Stadtbus eingestellt werden muss. Leider haben insbesondere die Grünen diese Warnungen als „ÖPNV-Feindlichkeit“ diffamiert.

Die Missachtung dieser Warnungen führte in der Folge zu einem stetigen Abbau des Angebotes, weil seine schlechte Nutzung zu wachsenden Defiziten führte, und letztendlich zu der absurden Situation, dass in einer Zeit, in der eine Verkehrswende mit einem Ausbau des ÖPNV zwingend geboten ist, Mühlheim den Busbetrieb einschränkt während er überall sonst ausgeweitet wird. Unsere Rahmenbedingungen sind heute: die Nachfrage nach Leistungen im ÖPNV steigt, der Nahverkehr wird stärker öffentlich subventioniert werden.

  • Lange Fahrzeiten = schlechte Nutzung

    Statt einer Stadtrundfahrt vorbei an den Sehenswürdigkeiten der Mühlenstadt wünschen sich die meisten Fahrgäste einen möglichst schnellen Transport zu ihrem Ziel, besonders wenn sie auf dem Weg zu oder von der Arbeit sind. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen belegen: Zeit ist neben dem Preis der wichtigste Faktor bei der Verkehrsmittelwahl.

    Die Mühlheimer Realität:

  • Lämmerspiel – Mühlheim Bahnhof (2,8 Kilometer – 6 Minuten mit dem Auto)
    Mit der Linie 120 dauert die Fahrt 12 Minuten, mit der Linie 31 ist man ab Feuerwehr Lämmerspiel 16 Minuten unterwegs. Bezogen auf den direkten Weg ist das eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 km / h

  • Willy Brandt Halle – Mühlheim Bahnhof (1,3 Kilometer – 4 Minuten mit dem Auto)
    mit der Linie 31 dauert die Fahrt 16 Minuten. Ca 5 km / h

    Hinzu kommen üppige Umsteigezeiten:
    Zwischen 9 und 13 Minuten Bahnhof Nordseite zwischen S-Bahn aus Frankfurt und Linie 31 Richtung Dietesheim

    Zwischen 7 und 11 Minuten bei der Linie 31 von Lämmerspiel in die S-Bahn Richtung Frankfurt

    Resümee: Menschen, die von dem Bus in die S-Bahn umsteigen, also die Masse der Mühlheimer – ÖPNV Nutzer sind zwischen 20 und 30 Minuten unterwegs vom Einstieg in den Bus bis zum Einstieg in die S-Bahn. Wir erinnern uns: Die Fahrzeit zwischen Mühlheim Bahnhof und dem Bankenviertel (Taunusanlage) beträgt 21 Minuten. Das bedeutet: Die 1,5 bis 3 Kilometer in Mühlheim verdoppeln die Fahrzeiten für Pendler Richtung Frankfurt.

  • Sonderfall Linie 120: Die 120 bindet den Markwald an das Öffentliche Nahverkehrsnetz an und sie bietet trotz des Umwegs über den Markwald die kürzeste Fahrzeit zwischen Lämmerspiel und Bahnhof Mühlheim, weil sie ihn an der Südseite anbindet. Diesen Vorteil kann die Linie aber nur unzureichend ausspielen. In den Hauptverkehrszeiten (15-Minuten-Takt bei der S-Bahn) sind die Umsteigezeiten relativ lang:  8 bis 11 Minuten. Außerhalb der Hauptverkehrszeiten beträgt die Umsteigezeit sogar 22 Minuten. Das ist kein Angebot, um Menschen vom Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu überzeugen.

    ÖPNV Nutzer aus dem Bereich Ulmenstraße (und aus Lämmerspiel sowieso) fahren besser, wenn sie außerhalb des Berufsverkehrs in Obertshausen vom Bus in die S-Bahn wechseln.

  • Vergleich mit anderen Städten im Kreis Offenbach:

    In Mühlheim müssen Fahrgäste mit Umsteigezeiten zwischen S-Bahn und Stadtbus im Mittel von 11 bis 13 Minuten rechnen (Spanne 7 bis 23 Minuten). Das sind einmalig schlechte Werte im Kreis Offenbach.

    Umsteigezeiten zwischen Bus und S-Bahn:

    Rodgau Weiskirchen:             4 Minuten Richtung Frankfurt
    Rodgau Jügesheim                 9 Minuten Richtung Frankfurt
    Rodgau Niederroden            5 Minuten Richtung Frankfurt
    Rodgau Niederroden            3 Minuten aus Richtung Frankfurt
    Rodgau Weiskirchen              5 Minuten aus Richtung Franfurt
    Rodgau Jügesheim                 10 Minuten aus Richtung Frankfurt

    Dietzenbach Mitte                 8 Minuten in Richtung Frankfurt
    Dietzenbach Mitte                 7 Minuten aus Richtung Frankfurt
    Dietzenbach Bahnhof           2 Minuten aus Richtung Frankfurt
    Dietzenbach Bahnhof           7 Minuten in Richtung Bahnhof

    Rödermark Oberroden         5 – 7 Minuten

    Obertshausen                          5 Minuten aus / in  Richtung Frankfurt

  • Die umliegenden Städte haben fast durchgängig deutlich kürzere Umsteigezeiten zwischen Stadtbus und S-Bahn. In Mühlheim wurde bei der Einführung des Stadtbusses mein Vorschlag, die Umsteigezeiten gegenüber den Planungen zu halbieren, abgelehnt. Begründet wurde das „Nein“ nicht mit Umlaufgründen oder technischen Vorgaben sondern mit der Einschätzung, man brauche hier halt solange. Wenn die Linie 31 die Südseite Bahnhof anfahren würde, wären Umsteigezeiten von 4 Minuten möglich. Dito bei der Linie 120. Vorausgesetzt es findet eine digitale Kommunikation zwischen S-Bahn und Bus statt, um bei minimalen Verspätungen der S-Bahn die Busfahrzeiten abzupuffern.

  • Der sehr lange Übergang zwischen Verteilersystem und der S-Bahn als Rückgrat für den regionalen Schnellverkehr ist ein Grund für die im Vergleich schlechte Nutzung der Stadtbusse in Mühlheim. Die Menschen die hier mit dem Auto zum Bahnhof fahren, sind keine Ignoranten sondern verhalten sich angesichts der Rahmenbedingungen, also lange Umsteigezeiten und umständliche Zubringer rational.

  • Auch bei den direkten Wegen Richtung S-Bahn-Stationen gönnen sich die Busse im übrigen Kreis weniger Umwege. Rodgau ist trotz seinem komplizierten Charakter als Straßendorf Vorbild für direkte Wege der Busse zwischen Stadtteile und S-Bahn-Stationen.

  • Das Anrufsammeltaxi ist in den späten Abendstunden eine gute Alternative, zumal die Umsteigezeit nur vier Minuten beträgt. Spät abends ist auch der Hopper geeignet.

    Das Problem beim Anrufsammeltaxi ist heute: Der Takt 20 / 40 Minuten ab Mühlheim Bahnhof stolpert. Somit ist ein direkter Anschluss an die S-Bahn nur im Stundenabstand möglich. Das schreckt Fahrgäste ab.

  • Der Hopper im Alltag

  • Der Hopper ist sicher eine Bereicherung für den innerstädtischen Gelegenheitsverkehr in Mühlheim. Zum Friedhof, ins Ärztezentrum. Alltägliche Besorgungen in der Bahnhofsstraße.

    Fraglich ist aber wie er im Berufsverkehr ein attraktives Angebot sein kann, das einlädt vom Auto in den ÖPNV umzusteigen. Wenn 100 oder mehr Menschen aus der S-Bahn steigen, stößt das System schnell an seine Kapazitätsgrenzen.

  • Ich habe das Sammeltaxi mindestens dreimal die Woche während meines Berufslebens genutzt. Es ist spätabends eine gute Alternative zum Fußmarsch nach Hause. Aber: Jede Fahrt hat auch den Charakter eines Überraschungseis. Manchmal ist man der einzige Fahrgast und in drei Minuten in der Ulmenstraße vor der Haustür, manchmal bietet es eine Stadtrundfahrt (zwischen fünf Leuten auf dem Rücksitz) von dreißig Minuten zum gleichen Ziel, weil hier, da und dort jemand aussteigt oder eine Fahrt bestellt hat. Spätabends nimmt man diese Ungewissheit in Kauf. Schwierig aber wenn sich am frühen Morgen die Situation auf dem Weg zur Arbeit umkehrt. Niemand kann mir garantieren, ob der Hopper 3 oder 13 Minuten bis zur S-Bahn benötigt. Der Fahrgast kann nie sicher sein, den Zug zur Arbeit zu erreichen. Sowas mögen Pendler nicht, jedenfalls nicht am Morgen. Und dazu müssen sie ihre Tour möglichst am Abend vorher bestellen. Das geht an der Lebenswirklichkeit eines Berufstätigen vorbei.

  • Ungewissheit ist auch im Gelegenheitsverkehr problematisch. Sonntagsmorgens zum Flughafen. Wie früh muss ich den Hopper bestellen im Spagat zwischen einem gesicherten Umstieg und einer langen Wartezeit auf einem zugigen Bahnsteig.

  • Schwierig auch die Fragen: Wieviel Hopper-Kapazitäten müssen vorgehalten werden, um aussteigende Fahrgäste während der Hauptverkehrszeiten von der S-Bahn in die Stadtteile zu transportieren? Die Zahl der Fahrgäste schwankt stark, ist manchmal vom Zufall abhängig. Der Bus ist dann halt mal voller oder leerer. Im Hopper ist die Zahl der Passagiere limitiert. Wer nicht sicher sein kann, abends bei Regen einen Platz im Hopper zu ergattern, wird morgens lieber mit dem Auto zum Bahnhof fahren. Der Satz in der Stadtwerke – Zeitung: „Sollte der Hopper zur Wunschfahrzeit belegt sein, erhalten Sie eine Meldung, um unnötige Wartezeiten zu vermeiden“, wird Pendler wenig trösten. Diese Aussage ist eher ein Beleg wie wenig sich die Verantwortlichen bei den Stadtwerken mit den Anforderungen gerade von Pendlern an ein modernes leistungsfähiges Verkehrssystem auseinandergesetzt haben.


  • Vorbild Mainhausen, Seligenstadt oder Hainburg

    In ihrem Lobartikel verweisen die Stadtwerke auf positive Erfahrungen mit dem Hopper in Mainhausen, Seligenstadt oder Hainburg. Würde der Hopper ein optimiertes Stadtbusangebot in Mühlheim ergänzen, könnte man diesem Vergleich zustimmen. Es fällt aber auf, dass in dem Bericht kein Wort zur Zukunft des Stadtbusses, der Linie 120 bzw einen verbesserten Ersatz für diese beiden Linien fällt. Offenbar sollen die Linien 120 und 31 eingestellt werden, der Markwald vom Bus abgekoppelt werden.

    Werden die Busverbindungen gestrichen, wäre der Vergleich mit den Ostkreisgemeinden in dem Stadtwerke-Blatt ein Hinkender. Dort im Ostkreis existiert keine leistungsfähige S-Bahn als Rückgrat für den ÖPNV und den Massentransport der Pendler. Bei dem Zugangebot dort spielt ein Zubringer nur eine untergeordnete Rolle. Der Hopper in diesen Gemeinden dient in erster Linie dem Transport zum Arzt, zum Friedhof oder zum Einkaufen. Dass die Geschäftsleitung der Stadtwerke dennoch diesen Vergleich heranzieht, lässt zwei Deutungsmuster zu:

  • Unkenntnis von verkehrspolitischen Zusammenhängen
  • Verschweigen von relevanten Punkten (was für ein 100 % städtisches Unternehmen presserechtlich problematisch ist, auch wenn es privatrechtlich organisiert ist)

Im Übrigen spricht die von den Stadtwerke Mühlheim zitierte Zahl der aktiven Hopper Nutzer von 1.000 Personen in Hainburg, Seligenstadt und Mainhausen Bände: Alle drei Kommunen haben zusammen 50.000 Einwohner. Wenn zwei Prozent der Einwohner Zielgröße für die Nutzung des ÖPNV sind, tanzt Mühlheim in Richtung Klimaneutralität Limbo, mit einer Latte knapp über Bodenhöhe.

  • Zukunft, die heute durchdacht werden muss.

    Neben eher kurzfristigen Veränderungen im Stadtbusnetz nebst Ergänzung durch den Hopper müssen jetzt bereits Fragen im ÖPNV geklärt werden, die 2030ff auf die Stadt zukommen:

  • Neue S-Bahn-Linie Dudenhofen – Flughafen / Höchst

    Der rmv rüstet im Osten von Frankfurt auf. In die Planungen des Bundesverkehrsministeriums für die Jahre 2030 ff ist eine neue S-Bahn-Linie aufgenommen: Von Dudenhofen über OF Ost, OF Hauptbahnhof, Frankfurt Süd, Neu Isenburg alternierend zum Terminal 3 des Flughafens / Groß Gerau bzw nach FFM Höchst. Im Prinzip eine Osttangente, eine Interessante Option für viele Lämmerspieler Pendler zum neuen Terminal drei und Richtung Industriepark Höchst, die leider nicht den Ausgangspunkt in Mühlheim hat.

    Es würde Sinn machen, den Stadtteil Lämmerspiel ab Realisierung der neuen Linie 2030ff per Bus an Offenbach Waldhof anzubinden. Die Linienführung wäre anders als über Obertshausen weniger Verspätungsanfällig. Die Züge dort fahren dann in sehr kurzen Abständen. Die Verbindungen wären kürzer, also schneller und damit attraktiv für Pendler.


  • Viergleisiger Ausbau

    Wenn die favorisierte südliche Variante des Frankfurter Fernbahntunnels realisiert wird, gibt es Stimmen, die bestehende Verbindung zwischen Kaiserlei und Hanau viergleisig auszubauen. Mir fehlt zwar die Fantasie wie dieser viergleisige Ausbau in Mühlheim realisiert werden kann, nebst einem zweiten Gleis S-Bahn zwischen Offenbach Ost und Mühlheim. Aber im Entwurf Deutschlandtakt des Bundesverkehrsministers ist zu lesen.

    Engpassauflösung aufgrund Mehrverkehr SPFV bei südmainischer Anbindung des Fernbahntunnels Frankfurt und Zielfahrzeit Frankfurt – Fulda von 35 Minuten (nonstop) SPFV/SGV-Wirkung: unmittelbar Beschreibung der Maßnahme: zusätzliche zweigleisige Strecke Offenbach West Abzw. – Hanau Nordseite mit bis zu 200 km/h3 (Aus Entwurf Deutschlandtakt Anlage Seite 10)

    In diesem Ausbau bzw auch bei einem nur zweigleisigen Ausbau für den Fernbahntunnel liegt aber auch eine Chance das Einbahnstraßensystem in Mühlheim, das schnellen und leistungsfähigen ÖPNV erschwert, zu umgehen. Bedingung für den Ausbau, der gigantische Dimensionen haben wird, muss seitens der Stadt Mühlheim sein, dass am Bahnhof ein Schlupf (Unterführung) für Busse im Format Stadtbus gebaut wird. Dazu reicht eine Fahrbahn. Im Idealfall ist dann der Busfahrsteig direkt unter dem Bahnsteig der S-Bahn.

  • Verbindung über den Main

    Frankfurt Ost wird der zentrale Netzknoten für den Regionalverkehr in Richtung Frankfurt. Eine Busverbindung über den Main zum Bahnhof Dörnigheim sollte geprüft werden. Es werden in den kommenden Jahren immer mehr Menschen in den weiten Umkreis der Region ziehen, weil der Wohnungsbedarf im Kern von Rhein Main nicht mehr befriedigt werden kann. Mit der Zunahme von Home Office werden Arbeitnehmer auch nur noch dreimal am Arbeitsplatz sein. Pendeln wird attraktiver bei schnellen Fahrzeiten. Unternehmen wird es zu Standorten ziehen, die schnell mit dem ÖPNV erreichbar sind.

    Der Osten Frankfurts, die Nordmainische Seite, wird das wirtschaftliche Zuwachsgebiet von Frankfurt. Es braucht von Mühlheim eine schnelle Verbindung über den Main, auch weil Frankfurt Ost ein Knoten für den Verkehr mit der Bahn aus der Region wird, mit weitverzweigten Verbindungen, die bereits heute im Entwurf zum Deutschlandtakt nachzulesen sind. Eine Fähre wäre wg des Zeitverlustes keine Alternative. Es braucht für diese Idee eine Brücke, um attraktive Fahrzeiten möglich zu machen.

    Nebenbei und überhaupt: Der Entwurf zum Deutschlandtakt hält auch für Mühlheim Überraschungen bereit, die manchen Planungen, beispielsweise für Radwege, obsolet machen, weil die Flächen für Gleise benötigt werden. Ein Blick in die Vorlage des Bundesverkehrsministeriums wäre für die Mühlheimer Politik hilfreich.

  • Liniennetz: Ein künftiges Liniennetz für Mühlheim sollte folgende Grundstruktur haben:

  • (Bahnhof Bieber Waldhof ab 2030ff) Lämmerspiel – Bahnhof Südseite – Innenstadt. (Abgestimmt auf die S-Bahn Richtung Frankfurt)

  • Friedhof Mühlheim – Markwald – Bahnhof Südseite – Innenstadt (Abgestimmt auf die S-Bahn Richtung Frankfurt)

  • Dietesheim Bahnhof – Dietesheim – Mühlheim Bahnhof Nord (angestimmt auf die S-Bahn) – Rothe Warte.

  • Resümee:

    Statt die Gründe zu analysieren, warum der Stadtbus so wenig genutzt wird, wollen Politik und Stadtwerke jetzt Tabula rasa machen, bestehende Strukturen zerstören:

    Besser wäre:

  • ein Liniennetz, das auf den S-Bahn-Verkehr abgestimmt ist,
  • eine deutliche Optimierung, also Beschleunigung der Fahr- und Umsteigezeiten, damit der Stadtbus eine Alternative zum Auto ist,
  •  eine Koordination der Kapazitäten von Stadtbus, kvg und ovb. Am besten alles in eine Hand,
  • eine Analyse der Auswirkungen der neuen externen Rahmenbedingungen auf die Nahverkehrsplanung in Mühlheim: von verbilligten Ticktes bis zu den Folgen der Planungen zum Deutschlandtakt.

Ja: 800.000 Euro Defizit sind ein schwerwiegendes Argument für die Suche nach Veränderungen im ÖPNV der Stadt. Aber vor Streichungen muss man zunächst prüfen, ob es hausgemachten Gründe für den Fehlbetrag bzw die schlechte Nutzung des Angebots gibt. Im Vergleich mit anderen Städten deutet vieles auf die Notwendigkeit hin zunächst einmal die eigenen Prozesse bzw das Angebot auf den Bedarf der Zielgruppen zu hinterfragen. Zu hinterfragen ist auch, welche Auswirkungen auf den Betrieb des Hoppers zu erwarten sind, wenn mehr Menschen in Zeiten von Benzinpreiserhöhungen auf die Öffentlichen umsteigen. Wenn von 100 Menschen, die morgens in eine S-Bahn einsteigen, nur 25 den Hopper als Zubringer nutzen wollen, wird das System an seine Grenzen stoßen bzw so stark ausgeweitet werden müssen, dass alleine wegen der Personalkosten weit höhere Defizite als gegenwärtig zu erwarten sind.

Der Hopper ist absehbar kein Mittel, um Menschen gerade in Hauptverkehrszeiten zu transportieren. Er ist für den innerörtlichen Verkehr eine sinnvolle Ergänzung zu einem Bussystem. Zu befürchten ist, dass Mühlheim mit dem Hopper im Berufsverkehr die Vorgaben für eine Verkehrswende nicht einhalten kann. Müsste dann wieder ein neues System aufgebaut werden, wird es richtig teuer.